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Alarm von innen

 
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  Alarm von Innen

von Christiane Fux

Auffällig viele Tinnitus-Patienten leiden auch unter psychischen Problemen. Denn ist die Seele in Not, verschafft sie sich auch durch körperliche Symptome Gehör

Es gibt Menschen, bei denen schlägt die Seele Alarm: Mit einem markerschütternd hohen Pfeifen, einem schrillen Klingeln oder einem dumpfen Brummen. Tinnitus lautet die Diagnose des HNO-Arztes. Lässt sich eine organische Ursache wie beispielsweise ein Tumor ausschließen, wird der Patient an den Tropf gelegt oder bekommt eine Druckkammertherapie verordnet. Doch häufig verpuffen diese Hilfsmaßnahmen wirkungslos. Denn wenn die Seele in Not ist, lässt sich der Tinnitus nicht so einfach abstellen.

Studien des Neurophysiologen Dr. Robert Folmer von der Universität Oregon ergaben, dass innerhalb einer Gruppe von Tinnitus-Patienten 23 Prozent der Teilnehmer zusätzlich an Depressionen litten - rund fünf Mal so viele wie im Bevölkerungsdurchschnitt. 

"Geschickter Schachzug der Seele"

Dr. Helmut Schaaf, leitender Oberarzt an der Tinnitus Klinik Bad Arolsen, erstaunen diese Zahlen überhaupt nicht: Tinnitus ist im Grunde ein ziemlich geschickter Schachzug der Seele. Wer das Pfeifen im Ohr nicht ignorieren kann, sucht Hilfe", erklärt Schaaf. Zum Glück spricht es sich auch bei der Ärzteschaft herum, dass hinter einem Tinnitus oft handfeste seelische Probleme stecken. In seinem Hause arbeiten HNO-Ärzte und Psychotherapeuten deshalb schon seit langem Hand in Hand.

Ein Großteil der Menschen, die ein Tinnitus-Geräusch wahrnehmen, leidet überhaupt nicht unter dem Ohrensausen. Nur für einen kleinen Prozentsatz wird der ständige Begleiter zur Qual. Ärzte wie Helmut Schaaf gehen davon aus, dass eine starke seelische Belastung der Auslöser für diese 'Umbewertung' sein kann: Ist die Seele in Not, verschafft sie sich auf diesem Wege Gehör. "Das ist wie mit dem Ehering: Wenn Sie ihn täglich tragen, spüren Sie ihn gar nicht mehr. Aber bei einer Ehekrise kann er Ihnen plötzlich bleischwer vorkommen", erklärt Dr. Schaaf. 

Kaputte Wahrnehmungsfilter

Doch wie entsteht der Tinnitus so plötzlich? Die Erklärung dafür ist ebenso einfach wie überraschend: Er war schon immer da. Das Pfeifen im Ohr ist für jeden von uns ein ständiger Begleiter. Ist die Seele im Gleichgewicht, sorgen jedoch Wahrnehmungsfilter dafür, dass man ihn entweder gar nicht bemerkt oder aber ignoriert. Das funktioniert ähnlich wie bei jemandem, der an einer viel befahrenen Straße wohnt und den Lärm irgendwann einfach nicht mehr hört. 

Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass das Phänomen Tinnitus mit einer Störung der Wahrnehmungsfilter zusammenhängt. Das Ausblenden unwichtiger Informationen ist ein wichtiger Mechanismus. Schließlich strömen jede Sekunde riesige Informationsmengen auf unsere Sinnesorgane ein. Würde unser Gehirn nicht unentwegt unwichtige Reize aussortieren, wäre es mit der Flut der einströmenden Informationen hoffnungslos überfordert. Bei Menschen, die unter einem Tinnitus leiden, versagt der Filtermechanismus jedoch. Modernen Behandlungsmethoden wie das Retraining zielen deshalb darauf , das Klingeln im Ohr wieder überhören zu lernen. 

In Behandlungszentren wie Bad Arolsen versucht man, darüber hinaus die seelischen Auslöser für den Tinnitus aufzuspüren und mit psychotherapeutischen Methoden zu behandeln. Denn der Tinnitus belastet die Betroffenen zusätzlich und verschärft so die psychischem Probleme noch weiter: Ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt. Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische Methoden oder sogar die Einnahme von Antidepressiva können wichtige Werkzeuge in der Tinnitus-Therapie sein. Denn geht es der Seele wieder besser, kann der interne Alarm getrost wieder abgestellt werden: Der Tinnitus hat seine Aufgabe erfüllt und tritt wieder in den Hintergrund des Bewusstseins.

 

Veröffentlicht von: NetDoctor. Stand: 11. Februar 2002